BUSENFREUND*INNEN // BOSOM BUDDIES:
PRIDE MONTH SPECIAL PART III.
„Eugenik findet auch heute noch statt. Zwangssterilisation und Zwangsverhütung gehören dazu. Die Geschichte der Zwangssterilisation begann Anfang des 20. Jahrhunderts als Teil der eugenischen Bewegung, um die Gesellschaft von „unerwünschten Merkmalen“ (wie Rasse, Behinderung, Armut, kriminelles Verhalten und dem, was sie als sexuellen Trotz bezeichneten) zu befreien. Die Sterilisation erfolgte nicht nur ohne ihre informierte Zustimmung, sondern oft auch ohne das Wissen der Menschen.“¹
Ihr seht also: ein Aufruf zur „Kastration“ ist nicht nur wirklich nicht der feministische Flex, als der er sich ausgibt, sondern steht auch in direktem Widerspruch mit Klassenkampf. Ganz zu schweigen davon, dass sie selbst offen über ihre psychischen Probleme sowie ihre Bisexualität spricht und sich als Arbeiter*innenkind positioniert – Eigenschaften, die in der Vergangenheit auch ihre reproduktive Freiheit stark gefährdet hätten. Nun, sagen wir, „Kastration“ ist nicht wörtlich gemeint, sondern ein Stilmittel, eine Hyperbel. Wofür steht Kastration? Feminismus? Sturz des Patriarchats? Gut. Aber dann bleibt die Frage: Warum funktioniert die Metapher? Wer wird durch wessen Kastration befreit? Patriarchat=Männer? Cis-Männer? Menschen mit Penis? Transfrauen?
“Eugenics still happens today. Forced sterilization and forced contraception is a part of this. The history of forced sterilization started in the beginning of the 1900’s as part of the eugenic movement to rid society of “undesirable traits” (like race, disability, poverty, criminal behavior, and what they referred to as sexual defiancy). Not only was the sterilization without their informed consent, it also often happened without people’s knowledge.”¹
So, you see how calling for “castration” not only isn’t really the feminist flex you might think it is, but it is also in direct conflict with her claim to be fighting for/alongside working class people. Let alone that she herself talks openly about her mental health struggles, bisexuality and working class background – all of which historically might as well have made her a target of forced sterilization. But, even if we give her the benefit of the doubt: Let’s say “castration and class struggle” is not meant literally, but it’s just meant to be hyperbole showcasing her disdain for the patriarchy – let me ask you: why does the metaphor work? Because castration is done to those who uphold the patriarchy? All of us? Probably not what she meant. Men? Cis men? People with a penis? Trans women?
Wie dem auch sei, Ich glaube, ich habe (ausführlicher als ursprünglich geplant) dargestellt, warum ich mit der Politik dieser Person nicht einverstanden bin. Vermutlich habe ich in der ein oder anderen Person Neugier bezüglich der Identität dieser mysteriösen Person geweckt, ich diese aber enttäuschen muss. Es gibt nämlich ein paar gute Gründe für die fehlende Namensnennung meiner Protagonistin: Zum einen ist sie dafür bekannt, Menschen zu verklagen, die sie öffentlich kritisieren. Es geht mir auch in diesem Text überhaupt nicht um irgendeine individuelle Person. Außerdem möchte ich mich nicht an einer Art von (online-)Diskurs beteiligen, die Personen als Feindbild zeichnet, weil sie andere politische Ansichten vertreten als ich. Denn egal wie schädlich die Ansichten und Narrative, die eine Person reproduziert, auch sein mögen, so ist nicht sie als Einzelperson das Problem. Es geht hier um Macht- und Unterdrückungsstrukturen. Und meine Kritik und Wut auf eine Einzelperson zu richten, trägt wenig dazu bei, die eigentlichen systemischen Probleme anzugehen. Ganz im Gegenteil: Diese Suche nach einem Sündenbock und individuelle Personen hat oft den Effekt, noch mehr Schmerz und Schaden anzurichten. Und wir übersehen es, darüber zu sprechen, was tatsächlich auf systemischer Ebene passiert und was wir tun müssen, um diese Situation zu verändern. Und während ich der Meinung bin, dass wir eben nicht in dieses reaktionäre und rechte Narrativ von Cancel-Culture hineinspielen sollten³, möchte ich nicht Tone Policing betreiben: denn die Wut und der Frust sind angebracht. Diese zum Ausdruck zu bringen ist ein wichtiges Ventil und Werkzeug im Kampf für unsere Menschlichkeit und gegen strukturelle Gewalt und Unterdrückung. Es ist ein Privileg, meine Wut im Zaum halten und kanalisieren zu können; genug Distanz zu haben und sicher genug zu sein, um einen Schritt zurücktreten zu können. Die Möglichkeiten unserer politischen Handlungsfähigkeit hängen von unseren jeweiligen Machtpositionen ab. Es ist ein Privileg, sich auf Augenhöhe der Aggressor*in begeben zu können, ihren Schmerz und ihre Menschlichkeit anzuerkennen – dieselbe Menschlichkeit, die versuchen anderen Menschen abzusprechen.
In any case, I think I’ve demonstrated (in more detail than I set out to) why I disagree with the politics of this person, who shall remain unnamed in this text for several reasons: a) she has been known to sue people for publicly criticizing her, b) this text is not about her or any specific individual for that matter and c) I do not want or intend to do anything to contribute to a practice of (online) discourse that vilifies individuals for holding viewpoints I disagree with. Because focusing on and villainizing a single person, no matter how harmful the views they perpetuate may be, does little to address the actual systemic issues at hand. Even more so, critiquing individual figures distracts from the harm being caused. And it often allows more harm to take place while we lose sight of and miss the opportunity to talk about what’s actually happening on a systemic level and what we need to do to address and change it. And while I agree that we shouldn’t play into this reactionary narrative of cancel culture³, I also don’t want to fall into tone policing territory: because I believe in outrage as an important outlet and tool in fighting for our humanities and against structural violence and oppression. It is also a sign of enormous privilege to be able to contain and channel my anger and take a step back. The ways in which we can set political action depend on the positions of power we hold. It is a privilege to be able to level with the aggressor, to acknowledge their hurt and humanity even – the same humanity that they fail to see in and are actively denying others.
Was ich jedoch hoffentlich geschafft habe, ist zu zeigen, wie eng verknüpft und verwoben Unterdrückung aufgrund von Rassifizierung, Geschlecht, Be_hinderung, Klasse/Status und Sexualität sind und warum unser Kampf daher auch ein intersektionaler sein muss. Es ist wichtig zu erkennen, welche Rolle Ableismus, Geschlecht bzw. die Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit und andere Unterdrückungsformen in der Aufrechterhaltung von Weißer Vorherrschaft und kolonialen Machtsstrukturen spielen. Und dass unsere Kämpfe und unser Streben nach Gerechtigkeit stets scheitern wird, solange wir uns nicht mit Rassismus und Weißer Vorherrschaft auseinandersetzen und die Traumata konfrontieren und bearbeiten, die diese Systeme in unsere Körper über Generationen eingeschrieben haben. Wir müssen Trauma als etwas zu verstehen, das sich von einem Körper zum anderen ausbreitet, dass unbehandelte Traumata, stets weitergegeben und reproduziert werden, und so immer nur mehr Schmerz in einem selbst wie auch in dem anderen erzeugt (vgl. Menakem 2015: 110). So wird Unterdrückung aufrechterhalten. Wir können diesen Kreislauf nur durchbrechen, indem wir uns dem Schmerz und seiner Geschichte stellen und mit den destruktiven Mustern brechen.
„Das menschliche Gehirn behält immer die Fähigkeit zu lernen, sich zu verändern und zu wachsen. Während ein Trauma diese Fähigkeit hemmen oder blockieren kann, werden Wachstum und positive Veränderungen wieder möglich, sobald das Trauma angegangen wurde.“ (Menakem 2015: 112)
Aber: Heilung ist ein Privileg. Ein Privileg, das die am meisten Marginalisierten und Unterdrückten oft nicht haben. Heilung erfordert sowohl Ressourcen als auch Verantwortungsübernahme. Es ist kein Akt von Solidarität oder Zuneigung, Menschen weiterhin in ihrer verzerrten Wahrnehmung, Abwehrhaltung und ihrer destruktiven Politik zu bestärken und befähigen, indem ihnen weiterhin Plattformen und Unterstützung für die Verbreitung ihrer fehlgeleiteten und gefährlichen Erzählungen geboten werden. Wir müssen uns von der Vorstellung weißer Zerbrechlichkeit trennen. Wenn diesen „Feminist*innen“ tatsächlich so viel an dem Schutz, der Sicherheit und der Befreiung von Frauen liegt, dann müssen auch sie sich ihrem eigenen schädlichen Denken stellen und ihre Rolle und Mittäter*innenschaft in diesem System anerkennen und konfrontieren, anstatt sich im eigenen Schmerz zu verlieren und Hass zu streuen. Und weil ich mir nichts davon selbst ausgedacht habe, sondern das Privileg und Glück hatte (und weiterhin habe), von Menschen zu lernen, deren Worte und Gedanken, die wirklich gehört werden müssen, möchte ich nur ein paar dieser Stimmen teilen und hoffe, dass sie auch euch dazu inspirieren, diese (Ver-)Lern- und Heilungsreise so fortzusetzen, wie sie es bei mir getan haben:
„Der erste Schritt in der Auflösung eines Systems der Unterdrückung besteht darin, deine Rolle in seiner Aufrechterhaltung zu erkennen.“
– Angelica Ross
„Im Laufe von Monaten oder Jahren kann ein ungeheiltes Trauma Teil der Persönlichkeit eines Menschen werden. Da es durch andere Körper weitergegeben und verstärkt wird, wird es oft zur Norm […] Eines der besten Dinge, die jeder von uns für sich selbst und für unsere Nachkommen tun kann, ist, unseren Schmerz zu verarbeiten und unser Trauma zu heilen. Wenn wir heilen, können wir unsere emotionale Gesundheit und unsere gesunden Gene an spätere Generationen weitergeben.“
– Resmaa Menakem
„Was wir verstehen müssen, ist, dass die Traumatisierer und die Traumatisierten Teil desselben Systems sind, und solange wir dieses System nicht ernst nehmen und nur die einseitige Perspektive der traumatisierten Opfer in Betracht ziehen, wird dieses System reproduziert und verfestigt, und wir werden diese Geschichte für immer erzählen“
—Irami Osei-Frimpong
„Selten, wenn überhaupt, wird einer von uns isoliert geheilt. Heilung ist ein Akt der Gemeinschaft.“
—bell hooks (alles über Liebe)
What I hope I did manage to do, however, is demonstrate just how interconnected and interwoven issues of race, gender, ability, class, and sexuality are and why our struggle therefore has got to be an intersectional one as well. As ableism, the gender binary and other forms oppression can be understood as tools of white supremacy, our struggles for justice will fail so long as we don’t address white supremacy as a and the immense trauma it has inscribed into human bodies. Understanding trauma as something that spreads from one body to another, that pain, when unhealed and pushed through another being, only ever creates more trauma in yourself, as well the other (see Menakem 2015: 110). This is how oppression is perpetuated. We can only break this cycle by addressing our trauma.
“The human brain always retains the capacity to learn, change, and grow. While trauma can inhibit or block this capacity, once the trauma has been addressed, growth and positive change become possible again.” (Menakem 2015: 112)
But: healing is a privilege. A privilege that those most vulnerable oftentimes do not have. Healing takes resources as well as accountability. It is not an act of kindness or grace to keep enabling people in their self-victimizing, harmful and oppressive behavior. And by continuing to platform and support people who spew hatred under the guise of feminism, you’re doing exactly that. I believe that we need to let go of the false idea of white fragility. If white women, or anyone for that matter, want to free themselves, they need to recognize their part in the system and confront their own harmful thinking instead of going down that “existential crisis to hate” pipeline⁴. And because I didn’t come up with any of this myself but have had (and continue to have) the privilege and joy to learn from people whose voices and thoughts I really need you to hear, I will just leave you with some of their words and hope that they inspire you to continue on this (un)learning and healing journey the way they did me:
“The first step to dismantling a system of oppression is recognizing your role in its perpetuation”
—Angelica Ross
“Over months or years, unhealed trauma can become part of someone’s personality. As it is passed on and compounded through other bodies, it often becomes the norm […] One of the best things each of us can do for ourselves, and for our descendants, is metabolize our pain and heal our trauma. When we heal, we may spread our emotional health and healthy genes to later generations”
—Resmaa Menakem
„What we have to understand is that the traumatizers and the traumatized victims are part of the same system and unless you’re serious about this system and you just consider the onesided notion of the traumatized victims, that actually calcifies this system and we’ll be telling this story forever”
—Irami Osei-Frimpong
“rarely, if ever, are any of us healed in isolation. Healing is an act of communion.”
—bell hooks (all about love)
Empfohlene Lektüre // Recommended Reading
Elìas Cosenza Krell (2017): Is Transmisogyny Killing Trans Women of Color? Black Trans Feminisms and the Exigencies of White Femininity. In: Transgender Studies Quarterly 4/2, Duke University Press. https://genderinstitute.anu.edu.au/sites/default/files/docs/2019-docs/Krell%20Transmisogyny.pdf
Felicia Ewert (2020): Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung.
Jessie Earl (2022): JK Rowling’s Anti-Transgender Stance And Hogwarts Legacy. https://www.gamespot.com/articles/jk-rowlings-anti-transgender-stance-and-hogwarts-legacy/1100-6501632/
Resmaa Menakem (2015): My Grandmother’s Hands. Racialized Trauma and the Pathway to Mending Our Hearts and Bodies.
(Wenn ich könnte, würde ich alles aus Resmaa Menakems “My Grandmother’s Hands” hier auflisten, ich empfehle es sehr! Es wird Dein Leben verändern. (Gibt’s auch als Hörbuch))
Katy Montgomerie, Christa Peterson (2021):
The XX Factor: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0hKGGkFJFurxqFx1CXBGY_ilKnSbL41h
Elìas Cosenza Krell (2017): Is Transmisogyny Killing Trans Women of Color? Black Trans Feminisms and the Exigencies of White Femininity. In: Transgender Studies Quarterly 4/2, Duke University Press. https://genderinstitute.anu.edu.au/sites/default/files/docs/2019-docs/Krell%20Transmisogyny.pdf
Felicia Ewert (2020): Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung.
Jessie Earl (2022): JK Rowling’s Anti-Transgender Stance And Hogwarts Legacy. https://www.gamespot.com/articles/jk-rowlings-anti-transgender-stance-and-hogwarts-legacy/1100-6501632/
Resmaa Menakem (2015): My Grandmother’s Hands. Racialized Trauma and the Pathway to Mending Our Hearts and Bodies.
(Honestly if I could, I would literally cite all of Resmaa Menakem’s “My Grandmother’s Hands”, so please go read it! It will change your life. (It’s also available as audiobook))
Katy Montgomerie, Christa Peterson (2021):
The XX Factor: https://www.youtube.com/playlist?list=PL0hKGGkFJFurxqFx1CXBGY_ilKnSbL41h
Alter: 27
Körbchengröße: venti (iced, mit Hafermilch)
Sternzeichen: Wassermann
Momentaner Lieblingssong: Djadja – Aya Nakamura, Trans Agenda Dynastie – Kerosin95
Wenn ich ein Tier wäre, dann wäre ich: ein Hund (weil ich Menschen echt nicht mag und wie cool wäre es bitte, wenn ich mit meinem Hund Willi reden könnte?)
Drei Dinge die ich nicht mag: Videos ohne Untertitel; Zeit; Schokoladeneis
Age: 27
Cup size: venti (iced with oat milk)
Zodiac sign: Aquarius
Current favourite tune: Djadja – Aya Nakamura, Trans Agenda Dynastie – Kerosin95
If I were an animal, I would be: a dog (because I generally really do like humans and I depend on my humans – also how cool would it be if I could understand my dog Willi?)
Three things I do not like: videos without subtitles; time; chocolate ice cream.
Quellen // Sources:
¹ https://www.edf-feph.org/blog/forced-sterilization-of-disabled-people/
² https://www.transx.at/Pub/Rechtsentwicklung.php
³ https://www.youtube.com/watch?v=LD9Q4JH5B_A&t=8180s
⁴ https://twitter.com/jessiegender/status/1502653079354687489?lang=en
Bilder // Photos:
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